zeitlandschaften.de Startseite Planung Memorial 30 Jahre Deutsche Botschaft in Prag

Memorial über den Garten an der Deutschen Botschaft in Prag, aus Anlass der 30-Jahr-Feier am 28.9.2019

German Embassy, Prague, back side with garden-6587

Der Garten im Palais Lobkowicz im Wandel der Zeit

“Dieser Ort schreibt Völkergeschichte, ein gesellschaftspolitischer Brennpunkt im Herzen Europas, er ist Zeitzeuge und Symbol für Freiheit, ein Wandlungsort, der Menschen bewegt”.

Berührt von der Geschichte

Aufgeräumt, wirklich aufgeräumt, sauber nach deutscher Art und Sitte fand ich im November 1989 den Garten der deutschen Botschaft im Palais Lobkowicz vor. Kleine Gräben in quadratischen, rechteckigen, auch runden Formen, durchzogen das Areal wie kleine Reisterrassen. Das macht man so, wenn das Regenwasser nicht durch das Zelt laufen soll. Die Spuren der Lagernden waren in Form der Abdrücke der Zeltstätten wie ein Mosaik noch deutlich zu erkennen. Es erinnerte auch an archäologische Miniaturausgrabungen einer alten Dorfstätte, die Geschichte hatte aber erst vor einigen Wochen stattgefunden. Münzen, vom Regen freigewaschen, blitzten silbern hier und da aus dem geschundenen Rasen. Sonst weiter nichts. Die wunderschönen alten Bäume und diejenigen, die dabei waren, kennen die dramatische Geschichte am Ort.

Es erfasste mich eine unfassbare Stille, trotz all der dramatischen Szenen vor Wochen. Die Bilder der Leute noch vor Augen, stand ich eine ganze Weile allein im Garten. Getragen vor Ehrfurcht der Ereignisse, Respekt vor dem Mut der Flüchtenden, umspült von einem geschichtlichen Ereignis, war ich mehrere Momente regungslos. Die Dimension, die Verantwortung und der Ort, an dem ich mich da messen durfte, war zu diesem Zeitpunkt für mich als jungem Landschaftsplaner und Gartengestalter noch wenig fassbar.

Wir hatten dann bereits am 10. Januar 1990 den Auftrag, freie Hand der Gestaltung und ich hatte keine Idee, aber eine enorme logistische und organisatorische Herausforderung für die nächsten Monate zu bestehen. Abgeschnitten von der Welt, dem “Osten und dem Westen” wirkte ich im Schattenwurf der Geschichte – ich wurde irgendwie geführt. Es stellte sich auch die Frage: Was mache ich mit dem Garten vor dem weltberühmten Balkon des Palais, der nun mit dem des Papstes in mehrere Hinsichten einer der bedeutendsten Orte für den Glauben und die Freiheit der Menschen ist.

Das Konzept, die Idee, die Geschichte dahinter musste ich mit mir selbst ausmachen. Soweit vor Ort möglich, wurden uns von den sehr freundlich gestimmten Bediensteten alle organisatorischen Hilfestellungen geboten. 

Es war auch „zufällig“ bei einer Ortsbegehung zur Planungsvorbereitung ein Gärtner, vermutlich vom Gartenamt der CSSR, wie aus dem „Nichts“ im Hof des Palais gestanden. Er erkundigte sich über die Entwicklung und Fortgang der der Gartengestaltungskonzeption. Anhand eines alten Planes ist in Zeichensprache das Format, die Form der Buchspflanzenspiralen des zentralen Ornaments besprochen worden. So wurde mir die Lösung im wörtlichen Sinne “zugetragen”. Ein Zufall der Geschichte? Der neue Gartenplan vom 4. April 1990 wurde von der Administration angenommen.

Trotz all der neuen Hoffnung auf Freiheit war eine Enge zu verspüren. Mit diesem Zustand hatten wir stets während der Bauabwicklung und v.a. bei der Materialzufuhr zu tun. Das zeigte sich durch die Menschenschlangen vor dem Haus und den überfüllten Parkplätzen im Hof des Palais und am Platz davor.

Es war hautnah zu spüren, die Beklemmung, nicht da und nicht dort hinzugehören, die dumpfe Angst vor Abweisung in den Augen derer, die sich zu dieser Zeit auf den Weg in die Freiheit begeben wollten. Es spiegelte sich auch in mir das Gefühl wider, in diesen entzweiten Welten zu sein.

Die Symbolik, der Ausdruck des “Weiblichen” in den mehrfach spiraligen Formen, wenn man so will ein organisches Sinnbild für Fruchtbarkeit des weiblichen Körpers. Vielleicht eine Geste des Ausgleichs zu den meist männlich ausgeprägten, zivilisatorischen Formen auf dieser Welt. Wer weiß? Ein Beitrag zu einer sowohl sichtbaren als auch einer unsichtbaren Balance im Brennpunkt des Weltgeschehens einer der großen geschichtlichen Transformationen.

Bald darauf kam dann wohl eines der berühmten Kunstwerke als weitere symbolische Erinnerung nach Prag und dann in den Garten – der Trabi-Vierbeiner von David Cerny.

Zeitlicher Verlauf des Werdegangs der Gartengestaltung

Konzeptphase und Umsetzung der Gestaltungen auf 7000 qm im Botschaftsgarten vom 17.11.1989 bis Sommer 1992 durch Robl ZeitLandschaften.  

Oktober 1987

Einladung zum Oktoberfest an die Botschaft im Garten des Palais Lobkowicz mit Kennenlernen der Situation und erster Kontaktanbahnung über Gestaltungsabsichten des Botschafterehepaars Herrn und Frau Schattmann. Erste Freundschaften mit Angestellten der Botschaft, die bis heute andauern. 

9.11.1989

Freiheitslinde in die Nähe des Staatenvorhangs, an die Grenze zwischen Bayern und Böhmen gepflanzt

17.11.1989

Augenzeuge der Wende in den Straßen von Prag. Ich stand mit Freunden voller Staunen am Leninkopf, der damals am Letnapark über der Moldau thronte, und wo jetzt die Sichtachse zum Zentrum mit dem Metronom akzentuiert wird.

November 1989

Einladung durch den Botschafter, Herrn Huber, und dem Kanzler, Herrn Metzger, vom Auswärtigen Amt zur Erstellung eines Konzeptes zur Sanierung und Neugestaltung des Gartens im Botschaftsgelände.

10. Januar 1990

Beauftragung durch das Auswärtige Amt

4. Februar 1990

Abschluss der Gartenplanung

März 1990

Vorbereitungen der Maßnahmen – Herstellung einer Schablone für das ca. 500 qm große Buchsornament

Mitte März bis Mitte Juni 1990

Nach vielen Wochen der Bau- und Pflanztätigkeiten weitgehendste Fertigstellung der Gestaltungsarbeiten noch vor dem damals für Botschaftsleute wichtigen Verfassungstag

Sommer 1990 bis Sommer 1992

Entwicklungspflege und weitere gestalterische und bauliche Impulse im Botschaftsgarten.

1989 bis 2019

Seit nun 30 Jahren kontinuierliche Begleitung des Gartenpflegezustands mit Empfehlungen zu Vitalisierung des Vegetationsbestands. Wiederkehrende Besuche bei wechselnden Botschaftern, Kanzlern und stets hilfsbereiten Bediensteten, von tschechischer und deutscher Seite.

HofLind/ Furth im Wald/ Prag, den 28. September 2019

Anton Robl